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ROTE RÜBEN Während
eines Wochenendausflugs in die mir vertraute Uckermark nahm ich wahr, dass auf den Feldern,
wo im vorigen Jahr Raps blühte,
jetzt Zuckerrüben stehen. Darauf wünschte
ich dem Landwirt, dem diese
Felder gehören, eine gute Ernte. Er antwortete aber, die Zuckerrüben würden
wohl nicht lohnen. Denn die EU- Subventionen für Rübenanbau sollen gestrichen
werden. Und ohne Subventionen rentiert sich der Anbau gar nicht. Der Marktpreis
liege unter den Selbstkosten. Je
mehr man anbaut, desto höher sind rote
Zahlen. Ähnliche Klagen hörte ich auch früher. Einerseits sind die deutschen Landwirte verständlicherweise hinter den EU- Subventionen her. Andererseits behagt es ihnen, auch verständlicherweise, nicht, dass sie durch diese Subventionen ferngesteuert werden. Insbesondere, wenn das EU-Geld ihnen nicht für hohe Leistungen zufließt, sondern für das Gegenteil. Also, dafür, dass sie ihre Felder nicht bebauen und damit das Überangebot an bestimmten landwirtschaftlichen Produkten zu reduzieren helfen. Auch fünfzehn Jahre nach der Abschaffung der DDR sitzt es ihnen im Blut, dass Leistung und nicht der Leistungsverzicht prämiiert werden sollen. Im übrigen lernte der Verfasser die ferngesteuerte Landwirtschaft in seiner russischen Heimat kennen . Die Fernsteuerung ruinierte die sowjetische Landwirtschaft. Den tüchtigen Landwirten in der Sowjetunion war sie verhasst. So erinnert sich der Verfasser an ein Gespräch im Rjasaner Gebiet, das übrigens landschaftlich der Uckermark ähnlich ist. Sein damaliger Gesprächspartner schimpfte als er darauf zu sprechen kam, dass ihm aus Moskau vorgeschrieben wurde, was auf den Feldern wachsen durfte. Er schimpfte wie der Landwirt aus der Uckermark, der die Anweisungen aus Brüssel kriegt. Übrigens prophezeite der Rjasaner den Kollaps der sowjetischen Lebensmittelversorgung, der später tatsächlich eintraf. Und zur allgemeinen Krise der Sowjetunion viel beitrug. Glücklicherweise ist Deutschland davon weit entfernt. Die Lebensmittelläden hier sind voll. Dennoch sind die Preise für viele Konsumenten zu hoch. Vielleicht hat es mit Brüsseler Fernsteuerung zu tun. Der Verfasser versteht von der Materie zu wenig, um dies definitiv zu behaupten. Aber der Uckermärker, der in der DDR- Zeit eine landwirtschaftliche Kooperative geleitet hatte, äußerte die Vermutung. Er meinte die riesigen Lebensmittelkonzerne sitzen mit an Schreibtischen der EU- Bürokratie.
So gingen wir zusammen auf einem Feldweg und schwiegen, jeder in seine Gedanken versunken. 10.7.05 ------ Vor sechzig Jahren begann die blutigste Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden. Die opferreiche Schlacht an den Seelower Höhen wirft auch heute, sechzig Jahren danach, Fragen auf. Was hat die Führung des Dritten Reiches veranlasst, die letzten Reserven zu verheizen, um die sowjetischen Streitkräfte an der Oder für wenige Tage aufzuhalten. Und warum hat die sowjetische Heeresführung große Opfer in Kauf genommen, um diese Absicht zu vereiteln? Vermutlich liegt die Antwort nicht so sehr im militärischen, viel mehr im politischen Geschehen des Frühlings 1945. Denn es sah damals nach einem seltsamen Zusammenspiel zwischen der Führung des Dritten Reiches und den Westmächten aus. Die amerikanischen und englischen Truppen durften im Westen vorwärtskommen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Kriegswichtige Regionen an Rhein und Ruhr fielen ihnen kampflos in die Hand. Im Osten dagegen mussten die sowjetischen Streitkräfte um jedes Dorf verlustreich kämpfen. Deshalb gab es guten Grund zu der Annahme, dass die Vereinbarungen zwischen der Sowjetunion und den Westmächten über das gemeinsame Vorgehen in Deutschland durch das Zusammenspiel der Westmächte mit dem gemeinsamen Feind unterlaufen werden sollten. Der Kreml wollte es nicht hinnehmen. Denn das hieße, das sowjetische Mitspracherecht bei der Nachkriegsregelung zu schmälern. Eines Landes, das mehr Opfer für den Sieg über Hitler brachte als alle anderen Hitlergegner zusammengenommen. So gesehen, sind die Verluste in der Schlacht an den Seelower Höhen nicht nur dem Krieg gegen Hitlerdeutschland, sondern auch dem späteren Kalten Krieg zwischen West und Ost in Europa zuzurechnen. Diese Verluste waren beträchtlich. Dreiunddreißig Tausend sowjetische Soldaten, fünf Tausend Soldaten des mit der Sowjetunion verbündeten Polens, etwa zwölf Tausend Soldaten der deutschen Wehrmacht blieben auf dem Schlachtfeld am unscheinbaren Ort Seelow. Die Opfer dürfen nicht vergessen werden. Sie mahnen, dafür zu sorgen, dass es nie mehr zu einem Krieg in Europa kommt. weder zu einem heißen noch zu einem kalten. Das war auch das Motto einer großen Veranstaltung an den Seelower Höhen. Zu den zahlreichen Versammelten am sowjetischen Gefallenendenkmal sprachen der Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck, der Bischof der Evangelischen Kirche Deutschlands Wolfgang Huber und andere Persönlichkeiten. Auch der russische Botschafter in Deutschland, Wladimir Kotenew, nahm das Wort. Er würdigte die Pflege der russischen Kriegsgräber in Deutschland, die zwar vertraglich vorgesehen sei, aber darüber hinaus von der Versöhnung des russischen und des deutschen Volkes zeuge.
An der Veranstaltung nahmen russische, polnische und deutsche Kriegsveteranen teil. Über die Gräber hinweg reichten sie sich die Hände und beschworen den sicheren Frieden als das höchste Gut der Menschen. 17.4.05 ---------
Im Zusammenhang mit den milliardenschweren Abschlüssen auf der Hannover Industriemesse melden die meisten deutschen Medien politische Bedenken. Vor allem beziehen sich diese Bedenken auf Fakten, die mit der eigentlichen Sache entweder nichts oder sehr wenig zu tun haben. Darauf, was außerhalb der Kompetenz eines Winterhall- oder Siemenskonzerns steht. Nämlich auf die Politik des Kremls. Genauer gesagt, auf seine Innenpolitik. Noch genauer, auf seine Politik in Tschetschenien, das ein Teil Russlands ist. Und auch auf den Versuch der russischen Justiz, einige der Steuerhinterziehung und sonstigen Betrugs beschuldigte russische Konzernherren zur Verantwortung zu ziehen. Schließlich auch aufs neue Regelwerk in der russischen Medienwelt, das sich der Kreml einfallen ließ. Die Industriemesse ist kein Forum, um diese Probleme zu erörtern, geschweige denn zu lösen. Denn es geht dort um Geschäfte. Im vorliegenden Fall um atemberaubende Geschäfte, die eine neue Dimension der deutsch-russischen Kooperation einleiten. Vermutlich sehen es viele Deutsche ebenso. Jedenfalls gehen sie jetzt nicht wegen Tschetschenien auf die Straße, sondern wegen ihrer bedrohten Arbeitsplätze. Die übrigens durch die in Hannover getätigten Abschlüsse etwas gesichert werden können. Das heißt selbstverständlich nicht, dass es den Wirtschaftspartnern Russlands in Deutschland egal sein soll, wie es mit der Demokratisierung und Liberalisierung der russischen Zustände bestellt ist. Aber die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, um den erwünschten Prozessen in Russland beizutragen, sind eher unpolitischer Art. Das ist vor allem die Einbindung Russlands ins Geflecht der in der westlichen Welt bestehenden gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Wie die Erfahrung zeigt, ist das ein zuverlässigerer Weg zur Förderung des westlichen Wertesystems in Russland als politische Prinzipienreiterei. Und Nota bene ein Weg, auf dem man nicht Gefahr läuft, sich ins eigene Fleisch zu beißen. Nach einigen Äußerungen in der deutschen Presse zu urteilen, haben die von den deutschen Kollegen laut vorgetragenen politischen Bedenken etwas mit dem beginnenden Wahlkampf in Deutschland zu tun. Und zwar mit der Befürchtung, dass das Bemühen des deutschen Bundeskanzlers um eine ersprießlichere Wirtschaftskooperation mit Russland, in Hannover mit eindeutigem Erfolg gekrönt, ihn und seine Partei in der Wählergunst steigen lässt. Ob es so ist oder nicht, wäre es in jedem Fall unklug, die vielversprechenden Wirtschaftsbeziehungen einem kurzfristigen politischen Kalkül unterzuordnen. Erst recht Wirtschaftsbeziehungen, die auf Jahrzehnte hinaus angelegt sind. 13.4.05 ------- Der Krieg, den Russland 1941- 1945 führen musste, um die Invasion Hitlerdeutschlands abzuwehren, heißt in Russland der Große Vaterländische Krieg. Das Attribut „vaterländisch“ ruft im Westen erhebliche Zweifel hervor. Auch in Deutschland. Manche hier neigen dazu, über die Auseinandersetzung zwischen zwei totalitären Systemen, dem kommunistischen und nationalsozialistischen, zu sprechen. Also zwischen dem Teufel und dem Belzebub. Ganz im Sinne der Totalitarismus- Doktrin. Damit werden zwischen den am Krieg beteiligten Mächten willkürliche Trennungslinien gezogen. Auf einer Seite finden sich die Sowjetunion und Hitlerdeutschland. Auf der anderen die mit dem Glorienschein umgebenen Westmächte. Die Kreuzritter der Demokratie. Obwohl ihre Anstrengungen bei der Bekämpfung der Hitlerdiktatur dem Beitrag der Sowjetunion weit nachstanden. Von den Kriegsopfern schon gar nicht zu sprechen. Aber es geht nicht nur um die Herabsetzung der Leistung und der Opfer der Russen. Es geht vielmehr um die Verfälschung einer wichtigen Kriegserfahrung. Einer durchaus aktuellen Erfahrung. Sie besagt, dass sich die Russen und die anderen Europäer zusammenfinden können und müssen, wenn es um den Schutz der europäischen Zivilisation geht. Es war damals, vor sechzig Jahren, möglich. Erst recht ist es heute möglich, wo es zwischen Russland und dem übrigen Europa viel weniger soziale und politische Unterschiede gibt als je in der Vergangenheit. Allerdings sprechen manche Historiker im Westen in ihrem Bemühen, Russland von Europa zu trennen, vom Zweiten Weltkrieg als von einem Kapitel des dreißigjährigen europäischen Bürgerkrieges. Eines Bürgerkrieges zwischen Diktatur und Demokratie, der 1917, nach der Großen Revolution in Russland, einsetzte, mit dem Angriff Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 1941 seinen Höhepunkt erreichte und nach dem Zusammenbruch des Angreifers vor sechzig Jahren, 1945, als Kalter Krieg weitergeführt wurde. Unter dem Motto eines westlichen Staatsmannes „Wir haben das falsche Schwein erstochen“. Der Kalte Krieg ist, Gott sei Dank, passe. Aber die Diffamierung der Russen noch nicht. Und die Bagatellisierung der nationalsozialistischen Barbarei auch nicht. Eine bedenkliche Tendenz. Besonders bedenklich angesichts neuer Bedrohungen, die Europa nur dann abwehren kann, wenn es diesen einig begegnet. Sonst fällt es zum Opfer neuer Extremisten, unter welchem Banner sie auch auftreten mögen – mit Hakenkreuz, Halbmond oder einem anderen. Zum Ausgangspunkt dieser Überlegungen zurückkehrend, möchte der Verfasser etwas von seinen Erlebnissen im Krieg preisgeben. Er kann nämlich bezeugen, dass er nie weniger vom Kommunismus hörte als im Krieg. Als sowjetischer Frontsoldat. Da ließen sogar die Politoffiziere die übliche Litanei über das sowjetische System bei Seite. Klugerweise, weil die Floskeln schlecht angekommen wären. Es ging an der Front immer nur darum, dass Russland von den Angreifern tödlich bedroht wird. Und dass jeder, der nicht zum Sklaven Fremder nicht werden und sein Zuhause, sei dieses noch so ungemütlich, behalten will, seine Pflicht tun muss. Das fand Gehör. Das konnten wir nachvollziehen. Das wurde befolgt. Es war für uns eben ein vaterländischer Krieg, keiner um den Erhalt des Kommunismus. Deshalb kämpften die Russen hartnäckig, auch solche, die mit der kommunistischen Macht in Russland innerlich haderten. Auch sie verstanden, worum es tatsächlich ging. Nicht um die Wahl zwischen den sozialen und politischen Systemen, sondern um die Existenzfrage. Um Sein oder Nichtsein Russlands. Und damit übrigens auch um Sein oder Nichtsein der europäischen Zivilisation. Denn wäre Russland geschlagen worden, wäre es auch um die europäischen Werte geschehen. So ist es logisch, dass very important persons aus der ganzen Welt nach Moskau kommen, um mit den Russen gemeinsam den sechzigsten Jahrestag des Sieges zu feiern. 7.4.05 ------- In seiner Regierungserklärung vor dem
Deutschen Bundestag hat Allerdings
fiel die Regierungserklärung zeitlich
mit einem Ereignis zusammen, das an die Macht des Zufalls in einer parlamentarischen Demokratie, wie sie in Deutschland
praktiziert wird, erinnert. Damit ist das Wahldebakel der Regierungskoalition in
Schleswig- Holstein gemeint. Hier
scheiterte die Landesregierung daran, dass ihr eine Stimme im Landtag fehlte.
Denn ein Abgeordneter votierte in der geheimen Abstimmung nicht so, wie er nach
aller Erwartung votieren sollte. Aus welchen Gründen auch immer:
vielleicht um etwas in seine Tasche stecken zu können. Oder um seinen
Parteikollegen eins auszuwischen. Oder einfach als Geck. Jetzt malen die hiesigen Auguren die Folgen aus. Darunter die Zweidrittelmehrheit der Parteien der Opposition im Bundesrat, die es erlauben würde, alle Gesetzesvorlagen der Bundesregierung im Bundesrat zu blockieren und dadurch die Unregierbarkeit des Landes herbeizuführen. Ob
es so weit kommt, steht in den Sternen. Jedenfalls
wünschen sich alle Freunde und Partner Deutschlands, dass es ihm in der
hiesigen, komplizierten Lage nicht
so ergeht wie der Weimarer
Republik, einem Opfer der widerstrebenden egoistischen Parteiinteressen. Wie in
Berlin mehrmals hervorgehoben wurde, braucht Deutschland jetzt
Nachhaltigkeit. In
der Innen- und Außenpolitik. Für Russland heißt es vor allem die konsequente
Weiterverfolgung der Ziele der russisch- deutschen Partnerschaft. Diese hat sich
gut bewährt. Sie darf nicht an innenpolitischen
Auseinandersetzungen Schaden
nehmen. In Russland wurde mit den politischen Reformen der letzten Zeit dafür gesorgt, dass die Innen- und Außenpolitik des Landes den Zufälligkeiten des parlamentarischen Alltags nicht ausgeliefert ist. Darüber gab der Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Mironow, der in diesen Tagen in Berlin weilt, in seinen Gesprächen mit führenden deutschen Politikern Auskunft. Es scheint, dass beide Länder, die im ständigen Dialog stehen, voneinander etwas lernen können. Nicht nur Russland von Deutschland, wie hier oft dargestellt wird. 18.3.05 -------------- Der sechzigste Jahrestag des Zusammenbruchs des Hitlerstaates wird in einem Land begangen, das zwar auch ein Teil dieses Staates war, aber von seinem Zusammenbruch weniger als Deutschland betroffen wurde. Gemeint ist Österreich. Bekanntlich wurde Österreich dem Deutschen Reich 1938 angeschlossen. Der Anschluss war ein Verbrechen Hitlers. Er war völkerrechtswidrig. Aber es ist nicht zu verschweigen, dass die meisten Österreicher den Anschluss hingenommen und den Hitlerkrieg mitgemacht haben. Inklusive aller faschistischen Gräueltaten. Trotzdem hatten sie Schwein. Denn Österreich wurde von den Alliierten der Antihitlerkoalition als Opfer der nationalsozialistischen Eroberungspolitik eingestuft. Es war ein ganz anderer Status, als der von Deutschland, dem Täterland. Aber nicht nur das kam Österreichern zugute, sondern auch die bescheidenen Dimensionen ihres Landes, sein viel kleineres wirtschaftliches und vor allem geopolitisches Potential. Im großen Schachspiel um die Beherrschung Europas, das noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Ost und West einsetzte, war Österreich zu seinem Glück nur ein Bauer. Deutschland dagegen ein Turm. Die Spieler gingen davon aus, dass derjenige, der Deutschland in der Hand hat, hat das ganze Mitteleuropa in der Hand. Und gewinnt das Spiel. Aber Österreich sei nicht so wichtig. Man kann es vom Schachbrett nehmen, ohne den Ausgang des Spiels zu beeinflussen. Das soll keine Verherrlichung der Kleinstaaterei sein. Nur eine nüchterne Feststellung. Deutschland war und bliebt ein begehrtes Objekt des Tauziehens um die Weltdominanz. Es muss gut aufpassen, damit es nicht wieder missbraucht wird. Auch sechzig Jahre danach. Aber zurück zu Österreich. Nach der Befreiung Wiens durch sowjetische Truppen durfte Österreich eine gesamtnationale Regierung bilden, die von den Westmächten und der Sowjetunion anerkannt wurde. Zwar wurden auch in Österreich wie in Deutschland Besatzungszonen eingerichtet. Aber das führte nicht zur Spaltung der Alpenrepublik. Im Unterschied zu Deutschland. Zehn Jahre später, 1955, durften die Österreicher noch ein Segen empfangen. Die Großmächte erklärten sich mit der Neutralität des Landes einverstanden. Dadurch konnte das Land viele negative Folgen des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion vermeiden. Im schwer von diesem neuen Krieg mitgenommenen Europa gab Österreich eine Insel der Glückseligen ab. Beneidet von allen seinen Nachbarn in Ost und West. Deswegen erinnern sich wohl die Österreicher an das Jahr 1945 mit besonders viel Freude. In Wien jagt eine festliche Veranstaltung die andere. Die österreichischen Medien ergehen sich nicht in düsteren Schilderungen der Gewaltakten in der Schlussphase des Krieges. Sie präsentieren ihrem Publikum mehr Erquickliches aus der Zeit. Vielleicht wird jemand sagen, dass die unterschiedliche Wahrnehmung des Datums in der Unterschiedlichkeit der Mentalitäten wurzelt . Mag sein. Aber der Verfasser dieser Beitragsreihe ist geneigt, die Ursache nicht so sehr im Mentalen, sondern im Politischen zu suchen. Denn in manchen, von den deutschen Medien gebrachten Schilderungen der Ereignisse vom Jahr 1945 glaubt er einen Nachschlag der Propagandafeldzüge des Kalten Krieges entdecken zu können. Damit verderben die Deutschen die Laune. Vor allem sich selbst. Die Österreicher, obwohl so eng mit den Deutschen verbunden, sind da anders. Weil sie den Nachkrieg anders erlebt haben. Es ist die höchste Zeit, das umher schleichende Gespenst der Vergangenheit endgültig zu begraben. Das soll bekanntlich am 9. Mai in Moskau geschehen. Bei dem Fest zum sechzigsten Jahrestag des Sieges über Hitler, das als ein Fest der Versöhnung gefeiert wird. Selbstverständlich werden die österreichischen Staatsmänner auch dabei sein. Die Repräsentanten eines Landes, das viele Klippen der Nachkriegszeit geschickt umgeschifft hat. Das glückliche Österreich. Einst hieß es: andere führen Krieg, Österreich heiratet. Heute würden wir sagen, andere schimpfen, es feiert. Und grämt sich nicht, dass nicht Alles so war, wie es sein sollte. 9.3.05 ----------- Während des Zweiten Weltkrieges, also vor sechzig Jahren, entstand bekanntlich eine Koalition der Staaten, die sich Hitlerdeutschland entgegen stellten. Ihre Hauptakteure auf dem Kriegsschauplatz waren die USA, England und die Sowjetunion. Immer wieder demonstrierten die Koalitionäre Einigkeit, um den Gegner zu beeindrucken. Aber leider waren sie gar nicht so einig, da sie in vielem verschiedene Ziele verfolgten. Je nach ihrem sozialen System, aber vor allem nach geopolitischen Zwängen, denen sie ausgesetzt waren. Das zeigte sich besonders nach der vernichtenden Niederlage der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad. Damals mussten die Westalliierten der Sowjetunion zur Kenntnis nehmen, dass die Rote Armee den Gegner durchaus schlagen konnte. Mehr noch, dass sie den Gegner womöglich auch allein schlagen könnte. Die Westalliierten der Sowjetunion wollten aber nicht, dass Russland nach Europa als ein mit Lorbeerkranz geschmückter Sieger einzog. So sorgten sie dafür, dass seine Bäume nicht in den Himmel wuchsen. Militärisch dadurch, dass sie nach Stalingrad daran gingen, im hohen Tempo eine Europainvasionsarmee auf die Beine zu stellen. Also, etwas zu tun, was sie davor versäumten. Politisch aber sicherten sich die Westalliierten dadurch ab, dass sie die Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands stellten. Es war eine unübliche Forderung. Zum Beispiel wurde sie 1918 nicht erhoben. Damals ließen sich die Westmächte auf Verhandlungen mit dem geschlagenen Deutschland ein. Zwar wurden dem niedergeworfenen Gegner sehr harte Forderungen gestellt. Aber eine bedingungslose Kapitulation wurde nicht gefordert. Warum es im Zweiten Weltkrieg anders war, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Verfasser dieser Beitragsreihe glaubt, entscheidend war die Angst der Westmächte davor, dass Deutschland und Russland zueinander finden würden. Zumal in russischen, nach Stalingrad stark aufgefüllten Kriegsgefangenlagern antifaschistische Komitees entstanden. Sie arbeiteten darauf hin, dass die deutsche Wehrmacht aus Russland abzog, wonach separate Friedensverhandlungen beginnen sollten. Vielleicht nahmen die Westalliierten der Sowjetunion diese Initiativen viel ernster, als sie es verdienten. Aber der Albtraum einer Verständigung zwischen Russland und Deutschland, auch wenn es kein Hitlerdeutschland wäre, verfolgte sie. Und die Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation sollte den Riegel vorschieben. Dennoch schloss sich der Kreml dieser Forderung an. Vielleicht blieb ihm keine andere Wahl. Wie dem auch sei, vergab er sich damit die Chance auf eine andere als die militärische Lösung des Problems Deutschland. Und nahm sehr große russische Verluste in der Schlussphase des Krieges in Kauf. Denn die Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation spielte jenen in Hitlerdeutschland in die Hand, die den Krieg bis zum letzten deutschen Soldaten weiter führen wollten. Und entmutigte jene, die Hitlers Regime aus den Angeln heben wollten, um die totale Zerstörung Deutschlands abzuwenden. Im Westen aber standen hinter der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation Kreise, die wie in den USA wahnwitzige Pläne schmiedeten, das besiegte Deutschland zu einem Kartoffelacker zu machen. Um diesen lästigen Konkurrenten ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Die Forderung der bedingungslosen Kapitulation entsprach damit der Strategie der Westmächte, die lange vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch danach verfolgt wurde. Sie sollte kein starkes Deutschland zulassen. Vor allem aber kein Deutschland, das durch ein Bündnis mit einem starken Russland stark ist . Auch wenn dieses Deutschland in keiner Weise eine Gefahr für Frieden und Sicherheit anderer Länder darstellt, da es sich gründlich gewandelt hat. Wie die Bundesrepublik Deutschland von Heute. Um diesen Beitrag auf einer fröhlichen Note abzuschießen, will der Verfasser in diesem Zusammenhang an die jüngsten Stellungnahmen des US- Präsidenten George W. Bush erinnern. In Mainz, wo er sich mit Bundeskanzler Schröder traf, und in Bratislava, wo er mit Präsident Putin konferierte, äußerte er sich zur hier angeschnittenen Frage anders. Er versicherte, dass sich die USA ein starkes Deutschland und ein starkes Russland wünschten. Das ist tröstend. Denn das heißt, dass die USA auch keine Einwände dagegen haben können, dass Deutschland und Russland sich gegenseitig stärken. Indem sie ihre strategische Partnerschaft pflegen und ausbauen. Mahnungen des konservativen Flügels des deutschen politischen Establishments, das Gleichgewicht zwischen der Partnerschaft mit den USA und der mit Russland peinlichst einzuhalten, sind damit gegenstandslos geworden. Denn es geht um Prozesse, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die Statements des Präsidenten George W. Bush sind ein guter Auftakt zum Moskauer Treffen von Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt am sechzigsten Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa. An diesem Treffen nehmen auch der Bundeskanzler und der Präsident teil. Der Jahrestag soll als ein Versöhnungsfest zelebriert werden. Ein Fest der endgültigen Versöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern, aber auch zwischen den Mächten, die sich zwar der faschistischen Barbarei gemeinsam entgegenstellten, aber dabei bei weitem nicht die gleichen Ziele verfolgten. Was dann eine der Ursachen des Dritten Weltkrieges, des Kalten Krieges war, wo sie auf verschiedenen Seiten der Barrikade standen. Die angestrebte endgültige Versöhnung ist auch deswegen besonders wichtig, weil sich die zivilisierte Welt keine großen Differenzen mehr leisten kann. Denn sie ist mit neuen, ihre Existenz gefährdenden Bedrohungen konfrontiert. Den Gefahren, die nur dann abzuwehren sind, wenn aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, aber auch des Nachkriegs richtige Schlüsse für die Gegenwart gezogen werden. Sechzig Jahre danach. 25.2.05 ------ ÜBER
BUSH- BESUCH Die deutschen Gastgeber gaben sich viel Mühe, eigenen guten Willen zu zeigen und diesen des hohen amerikanischen Gastes zu würdigen. Wie sonst. Es ging schließlich ums Verhältnis zum mächtigsten Staat der Welt, dessen Potential, übrigens nicht nur im Guten, viele Europäer aus eigener Erfahrung kennen lernen durften. Deutschland sogar mehr als jedes andere Land in Europa. Auch der hohe Gast aus Übersee sparte nicht mit netten Gesten. Er verhielt sich nach der Regel „keep smile“. Erkannte er doch, wie er selbst sagte, dass die USA Europa brauchen und dass es in Europa ohne Deutschland nichts läuft. Eine späte Erkenntnis zwar, aber besser spät, als nie. Wenn die in Mainz angestrebte Harmonie trotzdem nicht richtig aufkommen wollte, lag es nicht an den Gastgebern und nicht am Gast. Es lag daran, dass beim Besuch viel heiße Luft und weniger Substanz drin waren. Denn die Meinungsverschiedenheiten pflegen dadurch nicht zu verschwinden, dass über sie nicht geredet und stattdessen die Übereinstimmung der Grundwerte hervorgehoben wird. Deshalb besteht das beschworene neue Kapitel in der transatlantischen Partnerschaft vorläufig aus unbeschriebenen Blättern. Es wäre zu wünschen, dass es anders wird. Angesichts der bekannten neuen Bedrohungen der Zivilisation ist die Einigkeit des Abendlandes gefragt. Selbstverständlich einschließlich Russland. In diesem Zusammenhang soll hier ein Fauxpas des USA- Präsidenten nicht verschwiegen werden. Er verkündete in Mainz die Absicht, in Bratislava den bösen Russen tüchtig Leviten zu lesen. Weil sie seinen Vorstellungen von Demokratie und Pressefreiheit nicht folgen. Es wirkte wie ein Wink mit Zaunpfahl. Und zwar nicht so sehr an die Adresse der Russen, sondern an die des Gastgebers. Denn manche einheimische Politiker fallen ihm oft genug mit Vorwürfen auf den Wecker, den russischen Gesprächspartnern mit ähnlichen Vorhaltungen zu verschonen. Dennoch tat der Gastgeber so, als ob er die nicht gerade taktvolle Äußerung des hohen Gastes überhörte . Zumindest blieb sie unerwidert. Jedenfalls in der Öffentlichkeit. Allerdings verhielt sich die Straße weniger höflich. Im altehrwürdigen Mainz fanden beeindruckende Proteste gegen die amerikanische Politik statt, aber auch gegen ihre Verharmlosung in Deutschland. Anscheinend widerspiegelte die Straße eine hier weit verbreitete Stimmung. Darauf deuten auch jüngste Meinungsumfragen hin. Nur eine Minderheit der Befragten traut Washington über den Weg. Viel mehr Deutsche zeigten dagegen Vertrauen gegenüber Moskau. Es ist bemerkenswert. Auch weil die meisten hiesigen Medien alles taten, um einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung herbeizuführen. Ausgiebig berichteten sie von russischen Barbaren, die vor sechzig Jahren den deutschen Zivilisten ihre Uhren und Fahrräder abgenommen hätten. Und von amerikanischen Wohltätern, die den „Krauts“ Kaugummi und Schokolade hinwarfen. Aber anscheinend war die Mühe umsonst. Die Zeiten ändern sich eben. Und mit ihnen die Menschen.
24.2.05 ------
Am Tage der Zusammenkunft des Präsidenten Bush und des Bk Schröder berichten die deutschen Zeitungen ausführlich über die Sicherheitsvorkehrungen in Mainz. Tatsächlich sind diese in der ehrwürdigen deutschen Bischofsstadt und ihrer weiten Umgebung sensationell. Nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde so tief in den Alltag der Bürger eingegriffen. Beim Blättern in den Zeitungen erinnerte sich der Berichterstatter der Stimme Russlands an ein prophetisches Werk des deutschen Schriftstellers Heinrich Böll. In seinem vor einem Viertel Jahrhundert erschienen Roman „Fürsorgliche Belagerung“ zeichnete der Nobelpreisträger die Gefahr einer Terrorismusbekämpfung, die vorwiegend mit Polizeimitteln, seien diese auch noch so perfekt, betrieben wird. Die Gefahr, die in der Wandlung der freien Welt zu einer belagerten Festung besteht. Zu einer Festung, wo die Freiheit der Sicherheit geopfert wird und die Gewaltanbeter die Oberhand gewinnen. Bezeichnenderweise stieß Heinrich Bölls Roman in Deutschland auf viel Kritik von Rechts. In der Sowjetunion wurde er auch nicht gerade willkommen geheißen. Der damals tobende kalte Krieg erzeugte eben die Mentalität der fürsorglichen Belagerung. Aber es scheint, dass diese Mentalität auch jetzt nicht ganz aus der Welt ist. Jedenfalls gab es aus Brüssel, wo der USA- Präsident seine Europa- Tournee begann, keine zu viel Optimismus berechtigten Signale. Ob das Treffen in Mainz eine Wende verspricht, wird hier bezweifelt. Denn der Offensive des Charmes, wie die hiesigen Zeitungen die Europa- Mission des USA -Präsidenten definieren, fehlt es offensichtlich an Substanz. Vor allem an der Bereitschaft, die Einwände der Europäer gegen die Strategie der USA ernst genug zu nehmen. Zu
den daraus entstehenden Streitpunkten
gehört die Weigerung Deutschlands, seine Truppen in den Irak zu schicken, wie
auch die Weigerung Washingtons, die
Option eines Militärschlages gegen
den Iran auszuschließen. Hinzu
kam das auffällig kühle
Echo Washingtons auf den
Vorschlag des
Bundeskanzlers, neben der NATO einen
anderen Rahmen für die Verständigung zwischen Europa und den USA zu schaffen.
Zwar gewann diese Initiative
die Unterstützung Deshalb bleiben leider die für beide Seiten annehmbaren Lösungen der strittigen Fragen wenig wahrscheinlich. Auch wenn jetzt danach mit gewinnendem Lächeln gesucht wird. 23.2.05 -----------
Vor sechzig Jahren fand bei Jalta auf der Krim eine Konferenz unter Teilnahme der USA, Großbritannien und der Sowjetunion statt. Sie sollte das Geschick des Nachkriegseuropas bestimmen. Die westliche Historiographie wertet gewöhnlich die Jalta- Konferenz als ein Erfolg der Sowjetunion. Aber im Lichte der letzten Jahre besehen, soll das Urteil revidiert werden. Denn der Weg von Jalta führte zur Auflösung der Sowjetunion und zur USA- Dominanz in der Welt. Es fing damit an, dass in Jalta stillschweigend vereinbart wurde, Europa zwischen den auf der Konferenz vertretenen Hauptsiegern des Zweiten Weltkrieges zu teilen. Die Sowjetunion nahm die amerikanische Hegemonie über Westeuropa hin, die USA akzeptierten die sowjetische Zuständigkeit für das von der Roten Armee befreite Osteuropa. Allerdings befanden sich die Supermächte nicht in der gleichen Lage. Die USA konnten ihren Schutzbefohlenen einen Haufen Geschenke bringen. Vor allem Kredite und Technologien, aber auch Demokratie, Menschenrechte und geistige Freiheit. Gewiss steckte ein Haken im Köder. Aber die Völker des verwüsteten Kontinents hatten keine Wahl. Sie griffen gierig nach Wohltaten des neuen Herrn. Die diktatorisch regierte und im Krieg ausgesaugte Sowjetunion konnte mit den USA nicht mithalten. Sie hatte zu wenig in petto. Trotzdem ließ sich der Kreml auf die Rivalität ein. Und bürdete sich damit eine schwere Last auf. Nur oberflächlich gesehen blieb die Rivalität der Supermächte eine friedliche. In Grunde genommen war sie einem neuen Weltkrieg verdammt ähnlich. Sie mündete in den aufwendigsten und deshalb zerstörerischsten Rüstungswettlauf aller Zeiten. Und forderte eine riesige Kraftanstrengung vom Sowjetstaat. Er übernahm sich. Das besiegelte sein Schicksal. Aber wenn jeder Sieg den Keim einer Niederlage in sich trägt, dann trägt jede Niederlage den Keim eines Sieges in sich. Russlands Chance besteht darin, dass es nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Staatengemeinschaft und der Auflösung der Sowjetunion die Last von Jalta nicht mehr tragen muss. Es verabschiedete sich vom Imperialismus sowjetischer Art. Endgültig. Für immer. Das neue Russland ist pragmatisch. Es konzentriert sich auf die Lösung seiner ureigensten nationalen Aufgaben. Auf die Sicherung seiner territorialen Integrität, die Vervollkommnung seiner föderalen Struktur, Festigung seiner Rechtstaatlichkeit. Und selbstverständlich auf seinen wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau. Die Hausaufgaben sind schwierig. Ihre Lösung erfordert mitunter eine harte, wenn auch eine ruhige Hand und viel Kreativität im Kreml. Selbstverständlich auch die Sorge um aufrichtige Partnerschaft mit allen Ländern, die Russland stark sehen wollen. Die erkennen, dass das neue Russland nicht nur niemanden bedroht, sondern für die Sicherheit in Europa und in der Welt unersetzlich ist. Hoffentlich trägt der bevorstehende sechzigste Jahrestag des Zusammenbruchs der Hitlerdiktatur, als Versöhnungsfest begangen, dazu bei, dass Russland den eingeschlagenen Weg weitergeht. Das wäre in seinem eigenen Interesse, aber auch im Interesse seiner Partner in Europa und weltweit. Das würde sein siegreiches Ringen um die nationale Rettung im neuen, noch helleren Licht erscheinen lassen. Sechzig Jahre danach.
21.2.05 --------
Im Fokus der Aufmerksamkeit der deutschen Medien steht die Auseinandersetzung um die Visa- Vergabe im Kiewer Konsulat Deutschlands. Die Vermutung, die gravierenden Erleichterungen bei der Visa- Vergabe für Ukrainer hingen mit der ukrainischen EU- Strategie zusammen, ist nicht zu belegen, aber wohl auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Jedenfalls ist das aber Geschichte. Aktuell ist etwas anderes. Nicht das politische Schicksal der Verantwortlichen, sondern die möglichen, wenn auch hypothetischen Begleitschäden der Affäre. Zuerst mal die Gefahr der Verhärtung der deutschen Visa- Erteilung an die Europäer, die nicht im Besitz der EU- Pässe sind. Insbesondere Russen.
Dass diese Gefahr leider besteht, ist selbst einigen deutschen Medien zu entnehmen. Unter anderem einem sehr soliden Blatt, das die Assoziationskette Osteuropa Schleuserbanden Schwarzarbeiter Zwangsprostitution in den Köpfen der deutschen Bevölkerung feststellt. Unverdächtigt, den Kriminellen Tür und Tor nach Deutschland öffnen zu wollen, macht sich das Blatt Sorge vor allem um Geschäftsreisen über die Grenzen hinweg. Verständlicherweise, denn ihre Behinderung würde dem ureigensten Verlangen der deutschen Wirtschaft nach einem intensiven Austausch mit den Partnern im ehemaligen sowjetischen Raum alles andere als entgegenkommen.
Ähnliches gilt für alle anderen Beziehungen über die Grenzen hinweg. So für kulturelle Kontakte, aber auch gegenseitige Besuche einfacher Bürger. Auch diese Reisen würden durch die Verhärtung des Visa- Regimes erschwert. Auch sie gehören zur Substanz der Praxis der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland. Das wurde bei den Treffen von Staatmännern beider Länder mehrmals hervorgehoben.
Sie plädierten für beiderseitige Visa- Erleichterungen. Leider stieß die Realisierung des guten Vorsatzes auf objektive Schwierigkeiten. Es wäre kein Grund zur Freude, wenn auch subjektive Momente dazu kommen würden.
Hierbei ist wohl nicht ganz außer Acht zu lassen, dass manche Partner Deutschlands im Westen seine erstarkende strategische Partnerschaft mit Russland missgünstig verfolgen. Da ist viel Konkurrenzdenken im Spiel. Aber auch die Befürchtung, die Partnerschaft könnte zur Entstehung eines starken, souveränen Europas beitragen. Eines Europas, das sich nicht in die Landschaft einer monopolaren Welt einfügt.
Auch deshalb hat die innere Angelegenheit Deutschlands einen Aspekt, der Außenstehende nicht gleichgültig lassen kann. Eigentlich alle, denen das europäische Projekt willkommen ist. 16.02.05 --------- Die
deutsche Presse berichtet über einen schwelenden Konflikt in den dem
Auswärtigen Amt Deutschlands nahestehenden Kreisen.
Dem Amtschef wird vorgeworfen, verdiente Diplomaten danach
zu beurteilen, welche Politik sie in längst gewesenen Zeiten vertraten.
Es
ist nicht die Sache eines russischen Journalisten, in diesem Konflikt die Noten zu verteilen. Was er aber mit ruhigem Gewissen meinen darf,
ist die Tatsache, dass Deutschland eine
erstaunliche Toleranz praktiziert.
Viele Angehörige ihrer Elite von
Heute gehörten gar nicht so lange zu den Gruppen, die nicht selten außerhalb der Legalität agierten. Wenn sie
sich aber dem Umdenken nicht sperrten, hat man ihnen die Jugendsünden nicht
angekreidet. Darunter sind Staatsmänner
und Politiker der ersten Garnitur. Es ist wohl
anzunehmen, dass sie jetzt dem demokratischen Staat nicht weniger eifrig
dienen, als sie diesen einst aus
den Angeln zu heben versuchten.
Eigentlich
war auch Diskriminierung der DDR- Staatsdiener von verhältnismäßig kurzer
Dauer. Viele stehen wieder im Berufsleben. Oder erhalten Renten, die sich mit
den westdeutschen messen lassen.
Einem
russischen Journalisten, der sich noch gut an die sowjetischen Sitten erinnert,
kam es zuerst etwas verwunderlich vor. Denn in der ehemaligen Sowjetunion führte
jeder falsche Schritt zur unwiderruflichen Stigmatisierung der Delinquenten. Übrigens
auch jeder falsche Schritt der ihm nahestehenden Personen. Das Beste, womit er
in einem solchen Fall rechnen konnte, war die Karriere eines Liftboys.
Es
wäre wohl zu einfach, in der ganz anderen, deutschen Praxis nur die
vom Grundgesetz der Bundesrepublik geforderte Achtung der
Menschenwürde zu sehen. Eher ist es ein Phänomen der Entideologisierung
der Innenpolitik der Bundesrepublik. Einer heilsamen Entideologisierung,
die durch die Aufhebung der Konfrontation zwischen Ost und West möglich wurde.
Wie
dem auch sei, gewinnt Deutschland dadurch. In einem Land, wo
in rascher Reihenfolge mehrere Gesellschaftsordnungen wechselten, hätte
die Untoleranz viele fähige Menschen dem Staat entfremdet. Sie könnte auch
latente Konflikte entfachen, die das Land
schwächen. Gut, dass es vermieden wurde. Auch für Russland ist es gut.
Denn eine Schwächung des strategischen Partners würde es auch nicht stärker
machen.
Allerdings
merkt man mitunter in Deutschland wenig von der in Deutschland selbst
praktiziert Toleranz, wenn es um die Russen
geht. Russische Staatsmänner und Politiker werden
noch viel zu oft nicht
danach beurteilt, was sie heute sind, sondern danach, was sie einst waren. Ihnen
wird die Wandlungsfähigkeit abgesprochen, die man für sich gern in Anspruch
nimmt.
Nichtsdestoweniger ist die in Deutschland geübte Toleranz nachahmenswert. Sie baut das restliche Misstrauen zwischen den sogenannten Ossi und Wessi ab, mit dem niemand gedient wäre. Und sie ist auch auf dem gesamten Kontinent anwendbar, wenn es darum geht, noch übriggebliebene Spuren des Kalten Krieges zwischen Ost und West zu beseitigen. 11.2.05 Einem Russen mag es bitter vorkommen, dass in Deutschland die Neonazis wieder Schlagzeilen machen. Dachte er doch, besonders wenn er älteren Semesters ist und einst am Krieg gegen Hitler teilgenommen hat, die Hakenkreuzanbeter sind in Deutschland für immer Vergangenheit geworden. So ist es leider nicht. Aber der Extremismus, welcher Abart auch immer, ist heutzutage weniger als je ein ausschließlich deutsches Phänomen. Die giftige Pflanze findet überall dort ihren Nährboden, wo sich viele Menschen benachteiligt fühlen, ohne sich zu vergegenwärtigen, wieso und warum es ihnen schlecht geht. Es muss nicht unbedingt die Arbeitslosigkeit sein, die sie ausflippen lässt. Viele andere Missstände in der Gesellschaft bewirken das auch. Deswegen bleibt der Extremismus eine reale Gefahr über die Grenzen hinweg. Allerdings fällt er in Deutschland besonders auf. Deshalb ist der Einsatz des deutschen Bundeskanzlers für eine antinazistische Manifestation zum sechzigsten Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus sinnvoll. Damit wird das schiefe Bild Deutschlands korrigiert, das die Neonazis entstehen lassen. Ausgerechnet zum denkwürdigen Tag kündigten sie in Berlin eine neue Provokation an. Die Absicht, ihnen Abfuhr zu erteilen, fand verständlicherweise Zustimmung. Besonders in Russland , das vor sechzig Jahren im Kampf gegen die Vorbilder des Neonazismus siebenundzwanzig Millionen seiner Töchter und Söhne verloren hat. Die geplante antinazistische Manifestation wird zeigen, dass die Opfer nicht umsonst gebracht wurden. Dass die Demokratie im deutschen Boden tief verwurzelt ist. Dass hier der Extremismus nicht hingenommen wird. Übrigens beugt auch Russland dem Extremismus effektiv vor. Am Meisten durch die politische Stabilität, die hier endlich eingekehrt ist. Sie ist Gift für Extremisten von Rechts und auch von Links. Zwar hat die heutige Stabilität in Russland ihren Preis. Sogar einen hohen Preis. Aber in dieser Welt ist bekanntlich nur der Tod umsonst. In dem Falle wäre es der Tod der Demokratie in Russland. Er wurde verhindert. Sicherlich gibt es Unterschiede zwischen den demokratischen Kräften von Land zu Land. Aber ihre Hausaufgaben ähneln sich. Vorbeugung des Extremismus gehört dazu überall. Fremde Erfahrungen können helfen, dabei den richtigen Weg einzuschlagen. Auch deutsche Erfahrungen. Insbesondere, weil hier streng nach dem Gesetz vorgegangen wird. Und der breit angelegten politischen Aufklärung der Bevölkerung viel Beachtung geschenkt. Ein nachahmenswertes Beispiel für andere Länder. Auch für Russland. 10.2.05 ------------ Wie
in Berlin mitgeteilt wurde, soll südlich des Reichstages ein Denkmal für
die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma entstehen. Es gab Zeiten, als sich manche russischen Besucher Deutschlands darüber wunderten oder sogar empörten, wie leicht die Deutschen auf die Idee kamen, ihren Kriegern protzige Denkmale aufzustellen. In Reiseberichten beschrieben sie hämisch die überlebensgroßen Figuren aus Stein und Bronze mit Epauletten auf den Schultern und Pickelhauben auf den Köpfen. Jetzt
frönen die Deutschen keinem pervertierten Heldenkult mehr. Jetzt werden in
ihrem Land andere Denkmäler errichtet. Nicht für
herrschaftssüchtige und vom Rassenwahn geleitete Täter, sondern für
die Opfer. Wie die riesige Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas, die
östlich des Brandenburger Tor in Berlin gebaut
wird. Oder eben das Denkmal für
ermordete Sinti und Roma, das unweit vom Reichstag
entstehen soll. In
dieser Hinsicht ist Berlin leider noch einmalig in Europa, vielleicht
in der ganzen Welt. Jedenfalls sucht man in London vergebens nach einer
Gedenkstätte für die im
Flammeninferno von 1945 umgekommenen Zivilisten. Dafür ist in der stolzen
britischen Metropole ein Denkmal für
den Chef der britischen Luftwaffe nicht zu übersehen, der den grausamen und überflüssigen
Angriff befahl. In Washington steht
kein Denkmal für die Opfer von Hiroshima und Nagasaki, obwohl es sehr
angebracht wäre. Und, soviel bekannt, ist keins für die ermordeten Iraker
geplant. Obwohl der Krieg, der für sie zum Verhängnis wurde, wie in diesen
Tagen wieder bestätigt, keine Rechtfertigung hatte. Zwar
wird immer wieder behauptet, die Verbrechen
der deutschen Nationalsozialisten sind
singulär und deshalb besonders zu
verurteilen. Man fragt sich aber, ob die
von anderen Tätern bestialisch
umgebrachten Menschen diese Meinung
teilen würden.
Jedenfalls
wünscht man sich, dass das deutsche Beispiel auch in anderen Ländern befolgt
wird. Vor allem dort, wo man auch
was zu bereuen hat, aber die Reue noch nicht in unverwüstlichen Stein und
Metall zum Ausdruck brachte. Russland gehört übrigens
dazu. Leider. Die Gedenkstätten wie jene in Berlin vermitteln die Hoffnung auf eine bessere Welt. Auch wenn es eine vage Hoffnung ist, will man sie nicht vermissen. Als Russe erst recht nicht. 14.1.05 Die Flutkatastrophe in Ostasien löst in Deutschland ein bemerkenswertes Echo aus. Abgesehen von offiziellen Statements zeugen hier die Taten davon, wie tief in der Wahrnehmung vieler die Idee von Einer Welt bereits verwurzelt ist. Von einer Welt, wo die internationale Solidarität zum obersten Handlungsgesetz werden soll. Wo keiner seinen Vorteil im Nachteil des Anderen sucht, auch weil er damit auch sich selbst, wenn nicht heute, dann morgen schadet. Dadurch, dass hier diese Erkenntnis weitgehend verinnerlicht ist, erklärt sich das tätige Mitgefühl mit den Opfern der Flutkatastrophe. Es äußert sich auf allen Ebenen der Gesellschaft. In der Bereitstellung beträchtlicher Summen für die Hilfsaktionen aus dem Staatsetat, unbeachtlich seiner angespannten Lage. In den Aufwendungen der Hilfsorganisationen, die ihre anderen Verpflichtungen deswegen hintan stellen mussten. In der beispiellosen Opferbereitschaft jener Menschen, die, trotz der weitverbreiteten Befürchtung vor dem sinkenden Lebensniveau, großzügig spenden. Und last not least im humanitären Einsatz der Bundeswehr in der Krisenregion. Wichtig ist auch, dass die politische Elite des Landes, sonst nicht gerade einig, kaum nennenswerte Meinungsverschiedenheiten in der Beurteilung der mit der Flutkatastrophe zusammenhängenden Aufgaben artikuliert. Als gemeinsamer Nenner stellt sich die Entschlossenheit heraus, die Hilfe für die betroffenen Länder zu keinem Strohfeuer werden zu lassen. Im Gegenteil geht es darum, dass die Opfer langfristig unterstützt werden. Und zwar nicht nur von der Staatsmacht, sondern auch tief in den Strukturen hinab, bis zu den Kommunen. In den Überlegungen, die hier im Zusammenhang mit dem tragischen Geschehen in Südostasien angestellt werden, äußert sich immer deutlicher die Ablehnung einer Welt, wo nur an einem nicht gespart wurde, nämlich an Kriegen, deren Ursachen mit den erklärten Motiven herzlich wenig zu tun haben. Wie der Krieg im Irak, der mehrere Hunderte Milliarden Dollar gekostet hat. Aber für Frühwarnsysteme vor Umweltkatastrophen, die Millionen Leben retten könnten, wurde kein Geld gefunden. Es ist wohl nicht anzunehmen, dass die von Deutschland mit Wort und Tat unter Beweis gestellte Gesinnung das Ziel verfolgt, das Image des Landes aufzupolieren. Ein Land, das sich der Militarisierung der Weltpolitik widersetzt und das Entstehen eines geeinigten, solidarischen Europas, ohne Gegensatz zwischen Ost und West, befürwortet, braucht das gar nicht. Denn es findet in der Weltöffentlichkeit auch ohnehin Anerkennung. Jedenfalls bei den Russen, in deren viel zitierten Seelen die Nächstenliebe und Internationalität , trotz aller Wendungen der Geschichte, auch nie ganz verkümmerten. 5.1.05 ----- Ihr
Weihnachtsfest, das nach dem Kirchenkalender am 7. Januar gefeiert wird, begeht
die Russisch- Orthodoxe Kirche in Deutschland unter dem Zeichen der Fürsorge für
hilfsbedürftige Menschen Wie Angehörige
anderer Konfessionen, spenden auch
die in Deutschland lebenden
orthodoxen Christen ihren Obolus für die Opfer der schrecklichen Katastrophe in
Asien. Und wie alle anderen Priester gedenken auch die orthodoxen Kirchenmänner
in ihren Gebeten die Opfer. Auch
sonst nimmt die Russisch - Orthodoxe Kirche in Deutschland einen Anteil im
christlichen Leben des Landes. Ihre Gemeinden bestehen nicht nur
aus Gläubigen
russischer Herkunft. Dazu gehören
auch Deutsche, die, aus welchen Gründen auch immer, nach dem orthodoxen
Ritus die Taufe empfingen. In den
orthodoxen Gotteshäusern in Deutschland trifft man auch Griechen, Serben, sogar
Äthiopier, also Einwanderer aus den Ländern, wo die Orthodoxie schon seit
vielen Jahrhunderten verwurzelt ist. Aber
seit der kommunistischen Revolution 1917 in Russland bleibt
die Russisch-Orthodoxe Kirche im
gesamten Ausland gespalten. Auch
ein Teil ihrer Gemeinden in
Deutschland verweigerte sich damals
dem Moskauer Patriarchat. Die Wende
in Russland, die das kirchliche
Leben von früheren Bedrängnissen befreit hatte, löste einen Prozess aus , der
zur Wiederherstellung der Einheit der Russisch- Orthodoxen
Kirche im Ausland führen soll. Das zeitigt
positive Auswirkungen auf den
Status der Russisch-Orthodoxen Kirchengemeinden in Deutschland. So in
Brandenburg. Nach einer umfassenden Prüfung der juristischen Lage hat
die Landesregierung für die
in Potsdam tätige Russisch-Orthodoxe Gemeinde des Moskauer Patriarchats die
gleiche Behandlung wie für die Gemeinden anderer christlicher Konfessionen
zugesichert. Das erleichtert der ältesten
Russisch-Orthodoxen Gemeinde in Deutschland, deren Geschichte bald 200 Jahre zählt,
die Erfüllung ihrer Pflichten, vor allem jener im Bereich der Mildtätigkeit.
Die Russisch-Orthodoxen Geistlichen und Laien bringen die Hoffnung zum Ausdruck,
dass das Potsdamer Beispiel die Schule macht. Die
Zwiebeltürme mit dem orthodoxen Kreuz
zieren in Deutschland das Bild mehrerer Städte. Selbstverständlich sind
alle in den Kirchenhäusern
willkommen, die an Weihnachtsgottesdiensten nach dem orthodoxen Brauch
teilzunehmen wünschen. 6.1.05
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